Die Welt der Hörspiele - C.R. Rodenwald

Allgemeine Diskussion zu den ??? Hörspielen.
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Perry Clifton
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Die Welt der Hörspiele - C.R. Rodenwald

Beitrag von Perry Clifton »

Ich habe vor einige Zeit die tolle Hörbuchumsetzung des zweiten Buches von C.R. Rodenwald gehört und wollte mal meine Rezi dalassen. Ich kann das Werk nur empfehlen ...:...

Besprochen habe ich es weniger als Ganzes, sondern mehr als chronologische Hörerfahrung:

Am Anfang gibt es nicht soviel Neues, wenn man mal von der absolut genialen Story von Rodenwald als Puff-Detektiv absieht (you had it coming, mate :::DD::: ). Aber haben wir nicht alle solche Erinnerungen parat? Ich persönlich habe mich wohl mal als "Umwelt-Detektiv" blamiert... ^////^

Es gibt eine Vorstellung des Labels, der Sprecher und sonstiger Beteiligter, hier und da mit ein paar interessanten Randinfos. Zitate werden von den Betroffenen selbst eingelesen, was an sich toll ist, aber mal mehr, mal weniger gut funktioniert. Oliver Rohrbeck klingt z.B. leider manchmal sehr abgelesen, während z.B. Jens und Andreas ihre Parts natürlicher einsprechen.

Sehr interessant finde ich hier kleinere Aussagen wie die von Beurmann, dass die klassischen Stücke gut als Untermalung der Sprechszenen funktionieren, die Trennmusiken sich dafür allerdings überhaupt nicht eignen usw. So banal das klingt, aber viele andere Hörspielverlage verstehen das bis heute nicht. Man bekommt wirklich den Eindruck, dass damals von allen Seiten mit viel Know How und Herzblut an der Sache gearbeitet wurde.

Okay, auf die Erweiterung meines Wissensschatzes, was die Tatsache betrifft, dass "Tante Mathilda" ein Arbeitsamt geleitet hat, hätte ich in meiner Welt auch gut verzichen können ;-)

Für mich sehr interessant war das Kapitel über H.G. Francis. Am Anfang klang es etwas seltsam, als wolle man gewissermaßen backhanded-compliments machen. Aber danach kam dann doch rüber, wie gut er war, was er geleistet hat und dass sie gerne zusammengearbeitet haben. (Aktueller Einschub: Durch das Birker-Interview in einem kürzlich erschienenen Heldenchaos-Podcast wurde ja auch nochmal näher beleuchtet bzw. ins Gedächtnis gerufen, wo/wann es bei Frau Körting und Francis gekriselt hat und dass es dann doch wieder mit gutem Willen beigelegt wurde offenbar).

Unterm Strich kam er imho hier so rüber, wie es sein sollte: mit den verdienten Lorbeeren und für mich auch sehr sympathisch. Die Erkenntnis, dass er und seine Arbeitsweise etwas Besonderes waren, kommt durch, selbst wenn sie heute vielleicht ein bisschen die Schiene fahren möchten, dass er gut ersetzbar war. Man muss Heikedine aber lassen, dass sie, was seinen Wert und auch den der Bohn-Musik angeht, klare Worte macht.

Jetzt stellt sich nur die Frage, ob diese Geschichte, dass er bzw. Heikedine angeblich Angst davor hatten, dass die Leute bei den Hörspielen "schon wieder Francis!" stöhnen würden, tatsächlich der Grund für das Ende der Zusammenarbeit gewesen sein könnte bzw. soll? Wurde nicht so gesagt, aber soll man das so mitnehmen? Andererseits: Anhand seines ernomen Arbeitspensums zu urteilen, könnte er auch einfach irgendwann etwas zurückgefahren haben. Nur komisch, dass das, was er danach gemacht hat, nie mehr etwas mit Europa zu tun hatte...(Aktueller Einschub: Wiederum sehr interessant im Verbund mit dem Birker-Interview...)

Zum Rechtsstreit: Ich werde das nicht alles wiederholen, aber es ist ja sehr übersichtlich in dem Kapitel aufgeführt.

Nun aber die Frage: Habe ich es richtig verstanden, dass Bohn Verträge unterschrieben hat, seine Hörspielmusik GEMA-frei beizusteuern, was er als GEMA-Mitglied gar nicht durfte und diese dann nachträglich bei der GEMA angemeldet hat, als Kompositionen seines Bassisten? Was dann aber aufflog, weil der Bassist es nicht bestätigen konnte? Und dass dann Bohn nach dem Rechtsstreit doch immer offen als Komponist der Musik auftrat? Somit hat sich dann ja bestätigt, dass er in dem Prozess nicht bei der Wahrheit geblieben ist? Und ursprünglich wollte Bohn nur mehr Beteiligung am Erfolg der Serie?

Ich weiß auch nicht, was ich von der Sache mit den angeblich gefälschten Unterschriften bei den Notenprotokollen oder was auch immer das war halten soll... die können doch an sich gar nicht gefälscht sein, wenn Bohn selber zugibt, der Urheber der Stücke zu sein? Und das Resultat war dann also, dass all die Hörspiele mit der Musik vom Markt genommen werden mussten... :::--:::

Die Verträge waren doch bereits unterschrieben. Und wenn, aufgrund des unerwarteten Erfolgs, die Grundlage für die Verträge für ihn nicht mehr erfüllt war... funktioniert das so? :::ooO::: Hm, ganz ehrlich, ich habe immer instinktiv auf der Seite des Künstlers gestanden, aber zumindest in dieser Darstellung kommt die Seite Körting/Beurmann wesentlich besser weg... Nicht, dass ich sage, sie hätten alles richtig gemacht, zwischendurch hat man da ja auch einige abenteuerliche Aussagen gehört... Aber so richtig toll klingt das alles nicht. Sicher hätte ich Bohn mehr Anteil am Erfolg der Serie gegönnt, aber wenn er sich ursprünglich so auf den Deal eingelassen hat, ist das doch, hart gesagt, sein selbstverschuldetes Pech, oder?

Er wollte ja auch mal ein Buch darüber schreiben... eine gute Gegendarstellung wäre eventuell nötig, sonst sieht das imho gerade nicht so positiv für ihn aus, muss ich ehrlich sagen. (Aktueller Einschub: Ist leider immer noch mein derzeitiger Wissensstand).

Nachklapp-Kapitel zu Francis:

Durch die neuen Aussagen kommt es dann schon so rüber, als wäre Francis mit der nachlassenden Qualität der Buchvorlagen nicht mehr glücklich gewesen, so wie viele andere Leute auch. Sicher gab es auch bei ihm zusätzlich gewisse Ermüdungserscheinungen nach dieser großen Masse an Jugenddetektivgeschichten. Und dass ihm seine eigenen Serien mehr am Herzen gelegen haben, glaube ich sofort, das ist ja auch logisch. Dazu kamen dann die lukrativen Angebote der Konkurrenz; und so ist es dann wohl kein Wunder, dass er nichts mehr mit Europa gemacht hat. Er hat ja trotzdem noch einiges gemacht, aber dass er seinen Output dann insgesamt etwas zurückgefahren hat, kann man wohl auch verstehen.

Die Komponente, die ich nicht so auf dem Schirm hatte, ist die, dass er wahrscheinlich auch mit der zunehmenden Bedeutungslosigkeit der Serie und mit dem Nachlassen der Verwendung bekannter Sprecher (Schauspieler) nicht so glücklich war. Da scheint dann auch durchaus der Wille, an etwas Großem mitzuwirken, nicht bedeutungslos gewesen zu sein. (BTW, es werden ja die ganzen bekannten Sprecher aus "der Ära" aufgezählt, aber die Gewichtung fällt da doch eindeutig eher in den Crimebusters-Bereich und nicht mehr in die BJHW-Zeit, wo er ja auch ausgestiegen ist).

Was dann BJHW angeht: Die Info, dass der erhobene Zeigefinger in ihren Büchern von Kosmos ausgegangen ist, ist höchst interessant. Wenn auch letztlich nicht so überraschend, im heutigen Licht... Dass man über ihre Bücher hinweg die Aufgedrehtheit der Crimebusters schrittweise zurückfahren wollte, um die Serie wieder zu normalisieren, hatte ich so auch nicht auf dem Schirm; aber es passt durchaus. Ein Jammer, dass es dann später wieder sogar noch weiter getrieben wurde, mit Atomraketen und Space Shuttles... (Aktueller Einschub: Das Space-Shuttle war aber wenigstens spaßiger Trash und nicht so ernst gemeint :-D )

Aber Kosmos hat dann also deutlich mit den Büchern ein eigenes Süppchen gekocht, unter der Prämisse, dass die Bücher ja nur "von immer neuer Laufkundschaft" leben und nicht von einem Stammhörerkreis, wie die Hörspiele. Das bemerkt man durchaus heute noch, und es lässt so einiges weitere für die Zukunft befürchten... sofern sie überhaupt noch Zusätzliches anrichten können... *flöt*

Bei dem Feldhahn-Kapitel wurde nochmal gesagt, dass der Gameboy-Knick die Zielgruppe weggefischt hat und dass sich Hörspiele und solche Geschichten im Allgemeinen eher im Bereich der ganz jungen Hörer- und Leserschaft hielten (Benjamin Blümchen etc.), weil die anderen sich nun mit neuen Dingen beschäftigen (Computer, Handy, Netflix usw.). Das wäre sehr schade, denn es könnte heißen, dass Jugendkrimis heute generell keine zielgruppenrelevante Form mehr sind... :::--:::

Hm, Minninger spielt mit den Bonuspunkten, die er zwischendurch immer mal wieder macht, ein gefährliches Spiel ;-) Die "idiotischen Fans", ach nee, "bin ja selber einer". Dann tat es ihm natürlich unendlich leid, die Musikstücke auszutauschen, die Hörspiele seien ja Kunstwerke, die er schon so lange auswendig kenne. Bei den Texten aber kein Problem, Francis' Witze, wer braucht die schon... naja.

Haschemitenfürst und Rokokokokotte entgingen dem Cut zwar knapp, aber die Zombiefilm-Bemerkung, zumal mit DIESER interessanten Hintergrundgeschichte hätte trotzdem drinbleiben müssen. "Kommunisten, Anarchisten, PACK" wurde auch MIT SICHERHEIT natürlich nur wegen der Hörspiellänge geschnitten. Sprecher austauschen bei der Ranch, auch eine Kleinigkeit. Hauptsache, überall die richtige neue Musik ausgesucht. Oder die schönen zusätzlichen Cartoongeräusch bspw. bei der Erbschaft. Verschlimmbesserungsmeister hoch zehn.

Und danach die Bestätigung, dass bei den Büchern eine ganz andere Zielgruppe lief, als bei den Hörspielen. Man spricht hier von 8-12 Jahren, natürlich ein gängiges Lesegruppenalter. Früher wäre ich da noch bis 14 hochgegangen, heute wohl nicht mehr. Auf jeden Fall wurde der Hype also nur durch die Hörspiele wieder ausgelöst und die Bücher liefen "die ganze Zeit über gleichbleibend gut". Bei den Hörspielen lag das an der Zielgruppe der jüngeren Erwachsenen, die DDF wiederentdeckt hatten. Die Bücher sind dann durch Marx quasi mit aufgesattelt, mit Themen, die eben jene jüngeren Erwachsenen (und nicht Kinder!) in dieser Kinderbuchserie interessiert haben. Metaspielchen, Drama und Psychologie, Dekonstruktion.

Mag man das finden, wie man will, aber meinereiner hat immer noch die seltsame Vorstellung, es handele sich hier um eine Kinderbuchserie und kann mit dieser "Meta-Phase" einfach nichts anfangen. Auch wenn den Leuten, die damit aufwuchsen, ihre Folgen natürlich gegönnt seien.

Als es nochmal um die Musik ging und sie bei Morgenstern ankamen, wurden ja, wie bei den anderen auch, ein paar Ausschnitte angespielt. Die Morgenstern-Sachen sind generell wirklich nicht meins, aber davon abgesehen... das ist ja nichtmal mehr Ambient (was ich durchaus mag, wenn es gut gemacht ist). Das sind ja fast nur noch Geräusche mit ein paar zerfetzten Tonfolgen, zumindest diese Auswahl hier. Passte nicht wirklich mit der Eigenbeschreibung der Musik zusammen...

Interessanter Aspekt bzgl der Live-Auftritte und Touren. Man spricht ja heute davon, dass man sich bewusst Gedanken darüber gemacht hat, wie es ist, den Sprechern ein Gesicht zu geben und ob das Illusionen zerstört. (Manchmal kommt mir das ganze Narrativ ein bisschen nachträglich gestrickt vor, aber egal.) Auf jeden Fall wird dann von der Verschmelzung der Sprecher mit den Figuren gesprochen. Auch Jens sagt ja später, "er sei Peter". Sicher mag das für viele so sein, aber ich habe die Sprecher nie mit den Figuren gleichgesetzt und werde das auch nie tun. (Auch höre ich DDF nicht zum Einschlafen. Nichtmal als Kind). Unschön finde ich nur, dass diese Sichtweise geradezu kolportiert wird. Vielleicht aus Vermarktungsgründen, ich weiß es nicht.

Im folgenden Abschnitt gibt es auch sehr viel Eigenwerbung und Selbstbeweihräucherung. Der erste Teil des Hörbuchs war definitiv informativer.

Zwischendurch gibt es mal ein Zitat von Francis über Hörspielskripte und eigene Bücher und auch über die Qualität von DDF, sehr schön.

Am Schluss wird nochmal über die Erfolgsfaktoren spekuliert, das ist dann wieder interessant, teils aber auch wieder etwas phrasenhaft. Und ein gewisses Maß an Eigenwerbung muss man hier wirklich verkraften können.

Die meisten Informationen stecken definitiv in der ersten Hälfte. Das ganze Hörbuch ist allerdings sehr gut geworden und kurzweilig gemacht, mit vielen Einspielern, kleinen zusätzlichen Hintergrundinfos überall und lohnt sich insgesamt auf jeden Fall.

Gute Sache. Rodenwald hat hier zwei schöne und sinnvolle Bücher geschaffen. Und die Hörbuch-Umsetzungen bieten einen großen Mehrwert. Ich war auch überrascht, wieviel man hier noch erfahren kann. Ein paar meiner ursprünglichen Ansichten haben sich sogar etwas geändert. Davon abgesehen ist das Ganze gut und unterhaltsam gemacht. Ich habe sogar extra auf die Hörbuchversion gewartet und nicht das Buch gelesen, weil mir das letzte Hörbuch schon so gefallen hatte.

Aktueller Einschub: Top-Empfehlung, auch im Nachinein betrachtet ...:...

PS: Ich glaube, Herr Rodenwald arbeitet sogar momentan an etwas Neuem?

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